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Führungs-Tools für enge Führung

enge Fußgängerbrücke mit Geländer, (c) Pixabay-Lizenz 2019, Fotograf  RoyBuri
(c) RoyBuri - Pixabay-Lizenz 2019

Enge Führung ist wie ein Geländer, was weniger kompetente bzw. fehlmotivierte Mitarbeiter brauchen, um nicht vom "rechten Weg" abzukommen.

 

Enge Führung kostet Zeit, deshalb ist sie wenig beliebt. Umso besser ist es, die passenden Führungsinstrumente zu kennen!


Tumult in der Teamsitzung

Das musste Herr Merten erst mal sacken lassen. In der montäglichen Teamsitzung eben hatte es heftige Kritik an der – nicht anwesenden – Kollegin Frau Krämer gegeben. Angefangen hatte Frau Zischlik, die sich darüber beschwerte, dass sie die komplette Dokumentation eines gemeinsamen Projektes hatte erledigen müssen, weil sich Frau Krämer dazu nicht in der Lage sah. Noch drei weitere Teamkollegen schilderten ärgerlich, dass sie immer wieder kurzfristig einspringen mussten, wenn Frau Krämer nicht zurechtkam oder auch fehlte, was öfter der Fall war. Nun war es nicht überraschend, dass Frau Krämer nicht die Leistungsstärkste im Team war. Aber der Unmut der Kollegen war neu, und Herr Mertens musste und wollte etwas tun.

Frau Krämer war eine junge Mitarbeiterin, die seit vier Jahren hier arbeitete. Sie wirkte offen und lebendig im Umgang, und man konnte gut mit ihr reden. So fiel es immer erst später auf, dass sie Aufgaben nicht so erledigte, wie man das eigentlich erwartet hatte. Sie arbeitete eher oberflächlich, schloss Aufgaben nicht ab und verlor auch gerne mal den Überblick. Auch ihre Fehlzeiten waren hoch. Ohne dass besondere Erkrankungen bekannt waren, meldete sie sich immer mal wieder tageweise krank.

Nach besagter Teamsitzung bestellte Herr Mertens sie zu einem Gespräch ein. Frau Krämer stritt die Vorkommnisse nicht ab, aber sie hatte immer eine Erklärung, weshalb es ihr nicht anders möglich war. Sie beteuerte, dass es ihr leidtäte, wenn die Kollegen ärgerlich geworden wären. Herr Mertens redete ihr ins Gewissen, dass sie sich mehr anstrengen müsse und insbesondere ihre Aufgaben gründlicher planen solle. Sie stimmte allem zu, und so ging das Gespräch doch friedlich zu Ende.


Die weniger leistungsstarken Mitarbeiter

Sie brauchen eine engere Begleitung durch die Führungskraft, damit sie richtig arbeiten und sich auch verbessern. Auch wenn es einen als Chef vielleicht ärgert, sich hier mehr kümmern zu müssen, sollte diese enge Führung nicht ärgerlich, sondern neutral-sachlich erfolgen.

 

Dabei hilft es sehr, sich einige Führungsroutinen und –tools zuzulegen. Damit sparen Sie Zeit und wirken überdies berechenbar und professionell. Hier sind einige Vorschläge von mir:

Prozessbeschreibungen für Routineaufgaben

Klare Arbeitsanweisungen geben den weniger guten Beschäftigten ein Geländer, an dem sie sich langhangeln können. Damit können sie ihre Arbeit strukturieren und ihr Fortkommen ablesen. Je mehr solcher Hilfsmittel verfügbar sind, desto weniger muss die Führungskraft Anweisungen geben und kontrollieren. In größeren Unternehmen sind solche Prozessbeschreibungen meist vorhanden. Aber auch wo es sie noch nicht gibt, lohnt es sich, für Standardprozesse welche zu konzipieren.

Checklisten

Die Checkliste ist quasi die kleine Schwester der Prozessbeschreibung. Damit werden Einzelschritte oder Arbeitsposten aufgezählt, die nicht vergessen werden dürfen. Immer wenn man im Führungsgespräch ein Aufgabenpaket derart aufgeschnürt hat, sollte man eine Checkliste daraus machen, sofern absehbar ist, dass dies später noch einmal anfallen wird. Insbesondere wenig motivierte Mitarbeiter haben gerne nach ein paar Wochen alles wieder vergessen, und die Führungskraft spart sich durch die Checkliste die erneute Besprechung.

Auch für den Chef selbst ist die Checkliste eine gute Idee – muss er sich doch bei der engen Führung intensiv auf die Aufgaben seines Mitarbeiters einstellen, was ja nicht sein eigenes Kerngeschäft ist. Immer, wenn man eine Aufgabe in größeren Abständen zu erledigen ist, kann man mit Checklisten die geistige Rüstzeit reduzieren.

Maßnahmenpläne

Eine gemeinsame Feinplanung neuer Aufgaben sollte direkt bei der Delegation erfolgen. Dafür muss die Führungskraft natürlich am Anfang etwas Zeit investieren, aber sie spart das wieder ein, wenn die Kontrollgespräche kürzer sind und weniger Probleme auftreten.

Leider ist es eine weit verbreitete Annahme, dass man einem Mitarbeiter etwas Gutes tut, wenn man ihm zunächst viel Freiraum einräumt, wie er eine Aufgabe angehen will. Doch das ist nur bei den guten Mitarbeitern (Kompetenzgrad 3 und 4) der Fall. Ein wenig kompetenter Beschäftigter wird die Aufgabe umständlich und vielleicht sogar falsch anfangen. Ein nichtmotivierter Mitarbeiter wird sie liegen lassen. Was sind die Folgen? Verlorene Zeit, Umwege bei der Arbeit, Misserfolg und negatives Feedback. Geben Sie auch weniger guten Mitarbeitenden die Chance, mit Unterstützung durch einen Maßnahmenplan erfolgreich zu sein!

Routinen für das Team-Meeting

Ein TOP „Aktuelles aus meinem Arbeitsgebiet“ ist für weniger kompetente oder motivierte Mitarbeiter zu allgemein. Ihnen fällt bestimmt etwas ein – aber vermutlich nicht alles, was Sie als Führungskraft für wichtig erachten. Es hilft, stärker zu strukturieren, wozu genau etwas berichtet werden soll. Solche Leitfragen können auf einem Flipchart oder PPT-Chart visualisiert werden.

Wochengespräch

Enge Führung heißt auch kurz getaktete Gespräche. Wöchentlich ein Einzelgespräch ist ein guter Anhaltspunkt. Eine klare Struktur, die auch immer gleichbleibt, nützt sowohl der Führungskraft, weil sie Zeit spart, als auch dem Mitarbeiter, weil dieser sich darauf einstellen kann.

 

In meiner Beratung empfehle ich diese TOPs:

  1. Aktuelle Ereignisse
  2. Wochenbericht der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters
  3. Formale Themen (Gleitzeit, Urlaub, Vertretungen usw.)
  4. Stand der Zielerreichung / der Vereinbarungen
  5. Wochenvorschau
  6. Heutige Absprachen bzw. neue Aufgaben

Patenschaftsmodelle

Paten sind fachkundige Kolleginnen und Kollegen, die den Vorgesetzten bei der engen Begleitung eines weniger guten Mitarbeiters unterstützen. Bei der Auswahl eines Paten sollte auf dessen Motivation und Arbeitsbelastung geachtet werden, denn das ist eine wichtige Zusatzaufgabe. Erfahrungen z. B. in der Azubi- oder Trainee-Betreuung sind auch von Vorteil. Paten sollten schon systematisch an die Aufgabe herangehen und nicht glauben, mit einem freundlichen „Sie können mich jederzeit fragen“ sei alles getan. Wenn jemand zum ersten Mal eine Patenschaft übernimmt, ist es eine gute Idee, wenn die Führungskraft den Paten dabei ein wenig coacht.

Hoffnung allein reicht nicht

Herr Mertens hatte das Gespräch mit Frau Krämer in guter Erinnerung. Doch der Erfolg war nur kurzfristig. Kein Wunder, denn bei der Mitarbeiterin fehlte es an Engagement und vielleicht auch an Fähigkeiten. Sie ist überfordert, wenn sie aus der Kritik einen Verbesserungsplan ableiten soll. Wenn sie das könnte, wäre es doch gar nicht zu den Problemen gekommen!

 

Viele Führungskräfte verfahren in der Praxis nach dem Prinzip „Management by Exception“. Das heißt, sie lassen die Mitarbeiter laufen und schalten sich erst ein, wenn es ein Problem gibt. Das ist für kompetente Beschäftigte durchaus richtig. Aber für eine Frau Krämer eben nicht.

 

Als Herr Mertens dann eine Beschwerde des Projektleiters über Frau Krämer bekam, ging er systematischer an die Sache heran. Er bat Frau Krämer, eine Liste ihrer derzeitigen Aufgaben zu machen, die sie dann gemeinsam priorisierten. Wöchentlich hatte sie zu einem Einzelgespräch einen Bericht über die Vorwoche abzugeben. Für Projektdokumentationen gab er ihr zwei Musterbeispiele und erstellte einen Zeitplan. Dabei fiel ihm auf, wie schwer es seiner Mitarbeiterin wohl fiel, den Zeitaufwand realistisch einzuschätzen. Da konnte er schon verstehen, dass sie schnell frustriert war und versuchte, die Arbeiten abzuschieben.

 

Nun ja, Frau Krämer war über die neuerliche Aufmerksamkeit ihres Chefs nicht wirklich begeistert, denn durch die ständigen Berichtspflichten musste sie sich zu einem strukturierteren Arbeiten durchringen. Aber da er sachlich und fair blieb, konnte sie sich damit abfinden. Allein die Kollegin Frau Zischlik machte manchmal eine schadenfrohe Bemerkung, die Herr Merten – leider – nicht mitkriegte.

Aufgabenorientierung als Starthilfe

Auch wenn die aufgabenorientierten Führungs-Tools den Mitarbeiter an die enge Leine nehmen, so dürfen sie niemals als Strafe verstanden werden. Wenn Beschäftigten die Kompetenz und/oder Motivation fehlt, dann ist es die einzige Möglichkeit, die Arbeitsleistung sicherzustellen. Und durch das systematische, strukturierte Vorgehen wird ein Weg aufgezeichnet, den der Mitarbeiter auch selbst gehen kann. So ist die enge Begleitung wie eine Starthilfe, die Lernen ermöglicht.


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