Wozu braucht man Prioritäten? Sie unterscheiden zwischen wichtigen und weniger wichtigen Aufgaben. Ohne Prioritäten arbeitet man alles in einer beliebigen Reihenfolge ab, beispielsweise „Was zuerst kommt, ist zuerst dran.“ oder „Was Spaß macht, ist zuerst dran.“ Das mag in einer Zeit funktioniert haben, als alle Aufgaben locker in der vorhandenen Zeit untergebracht werden konnten. Doch das ist heute kaum noch der Fall. So entscheiden Prioritäten nicht nur, was zuerst dran kommt, sondern oft auch, was überhaupt gemacht wird. Die Priorisierung – oder Re-Priorisierung – zusammen mit dem Chef ist ein gutes Werkzeug für eine konstruktive Zusammenarbeit.
Frau Johansen arbeitete ebenso wie Herr Gerbrandt im Controlling. Sie war zuständig für Management-Informations-Systeme, und damit war sie auch gut ausgelastet. In der letzten Zeit hatte sie einige Zusatzaufgaben übernommen und das schlug sich auch auf ihrem Überstundenkonto nieder. Nun plante die Firma eine große Software-Umstellung. Der Leiter IT hatte Frau Johansen gefragt, ob sie in der Projektgruppe mitarbeiten könne. Sie fühlte sich zuerst geschmeichelt, schließlich musste sie mit vielen IT-Systemen arbeiten und kannte die Problematik daher sehr gut. Aber wo sollte sie die Zeit für das Projekt hernehmen? Welche anderen Arbeiten konnte sie schieben oder an andere Kollegen weitergeben? Seit einem großen Krach vor zwei Jahren, als sie in einer ähnlichen Situation etwas eigenmächtig entschieden hatte, besprach sie neue Prioritäten immer mit Herrn Dr. Hinterhuber. Auch jetzt war dieser sehr erfreut, als sie ihm ihre Liste der derzeitigen Standard- und Zusatzaufgaben vorlegte und um seine Meinung bat. Wie jeder Chef versuchte er zuerst auszuloten, ob sie nicht doch alles schaffen könnte. Doch Frau Johansen hatte sich gut vorbereitet und konnte jede Frage parieren. Schließlich griff er zu einem gelben Marker: „Diese Arbeiten sind unverzichtbar. Hier wartet der Vertrieb drauf. Das hier ist zielrelevant. Das ist das Steckenpferd vom Vorstand…“, nach und nach markierte er etwa die Hälfte der Posten. Leider war das Projekt nicht dabei. Nun reichte er Frau Johansen einen blauen Marker: „Was kann aus Ihrer Sicht noch geschoben werden?“ Als diese zögerte, ergänzte er: „Ich gebe Ihnen Rückendeckung. Sicher haben Sie Zusagen gemacht, aber das war doch unter anderen Voraussetzungen.“ Frau Johansen markierte drei Aufgaben und seufzte, denn eine davon war ihr Lieblingsthema, die kleine feine Statistik KS-II für den Kundendienst. Nun beschlossen sie noch, die Betreuung der neuen Praktikantin an Herrn Gerbrandt abzugeben, und dann sah Frau Johansen ihre Aufgaben als machbar an.
Für In-Timer gut zu wissen: Um mit Prioritäten zu arbeiten, braucht man keine ausführliche Rangreihe seiner Aufgaben erstellen, es reicht schon, grob einige Gruppen einzuteilen. Bekannt ist die „A-B-C“-Methode:
Es erklärt sich von selbst, dass zunächst die A-Prioritäten bearbeitet werden und die C-Prioritäten am ehesten liegen gelassen werden. Dieses einfache Prinzip gerät dann durcheinander, wenn Termindruck hinzukommt. Wird eine C-Prio-Aufgabe wichtiger, wenn sie eilig ist? Das fühlt sich im Alltag oft so an, ist aber falsch.
Frau Johansen klappte ihren Laptop auf. Nächste Woche startete das Software-Projekt. Gestern schon hatte sie die Projektunterlagen kopiert und den heutigen Nachmittag für ihre Vorbereitung blockiert. Sie musste die Bedürfnisse des Controllings einbringen, die Kompatibilität mit Zusatzprogrammen, die sie hier nutzten… Ach ja, am besten nähme sie auch ein paar Beispiele mit, damit die Kollegen im Projekt sich das vorstellen könnten. Als sie mitten in der Arbeit war, klingelte das Telefon. Herr Meierdircks aus dem Kundenservice war dran. Er hatte inzwischen von seinem Chef erfahren, dass die KS-II ausgesetzt werden würde. „Frau Johansen, das können Sie nicht tun! Ich habe mich auf Sie verlassen! Übermorgen ist eine Besprechung mit den Teamleitern, da habe ich den TOP „Grobstruktur KS-II“ kommuniziert. Das müssen Sie mir doch noch liefern können bis übermorgen, oder?!“
Mal angenommen, Frau Johansen könnte das bis übermorgen schaffen, wenn sie alles andere liegen lässt – sollte sie es tun? Nein! Wenn sie in der ersten Projektsitzung unvorbereitet erscheint, werden wichtige Weichen möglicherweise falsch gestellt. Ihre Verantwortung dort ist unverzichtbar. Wenn Herr Meierdircks seine Tagesordnung ändern muss, werden die Teamleiter enttäuscht sein, aber die Führungskräfte beider Abteilungen haben das so beschlossen und als das geringere Übel eingestuft.
Wichtig sind die Aufgaben, welche die Ziele und Kernaufgaben einer Position beinhalten. Bleiben sie unbearbeitet, drohen schwerwiegende Probleme, nicht unbedingt sofort, aber grundsätzlich schon. Diese Aufgaben sind unverzichtbar für meinen Erfolg, hier bin ich nicht ersetzbar.
Dringlich sind Aufgaben, deren Termin kurz bevorsteht. Werden sie nicht erledigt, geht wahrscheinlich auch etwas schief. Das kann nun sowohl gravierend als auch nebensächlich sein.
Eine klassische Einteilung, die beide Dimensionen, sowohl die Wichtigkeit als auch die Dringlichkeit beinhaltet, ist die Eisenhower-Matrix. Sie beschreibt vier Kombinationen:
A-Priorität: Wichtig und dringlich |
z. B. Beschwerde eines Stammkunden bearbeiten, der auf Antwort wartet -> Wird die Aufgabe nicht sofort erledigt, droht der Verlust des Kunden! |
B-Priorität: Wichtig, aber nicht dringlich |
z. B. Ursache herausfinden, wie es kommen konnte, dass die Belieferung schief gelaufen ist -> Wird die Aufgabe nicht erledigt, könnte sich die Panne wiederholen. Sofortige Bearbeitung ist aber nicht unbedingt nötig. |
C-Priorität: Nicht wichtig, aber dringlich |
z. B. Sitzplatzreservierung für die Dienstreise am nächsten Tag -> Wird die Aufgabe nicht sofort erledigt, hat man morgen eventuell keinen Sitzplatz… aber davon geht die Firma nicht unter. |
D-Priorität: Weder wichtig noch dringlich |
z. B. den neuen Orga-Plan der Nachbarabteilung im Intranet lesen -> Wird die Aufgabe nicht erledigt, bleibt man neugierig. |