Sie hatten bisher mit Zeitmanagement-Methoden nur wenig Erfolg?
Damit sind Sie nicht allein. Wahrscheinlich liegt es auch nicht daran, dass Sie dumm oder undiszipliniert sind – vermutlich sind Sie nur ein wenig anders!
Wie kam es zu diesem Buch? Den Anstoß gaben mir Erlebnisse in Zeitmanagement-Seminaren, die ich als Trainerin durchführte. Immer wieder wunderte ich mich, dass ich dort Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennenlernte, die sich bestens in der Materie auskannten. Sie hatten schon das ein oder andere Buch studiert, einen VHS-Kurs oder auch ein anderes Seminar besucht. Zuerst verunsicherte mich das. Was sollte ich ihnen noch Neues beibringen? Doch häufig erkannte ich, dass sie ernsthaften Lernwillen mitbrachten. Mehr noch: sie hatten oft sogar richtigen Problemdruck.
Herr Gerbrandt, 32 Jahre, Diplom-Kaufmann, sah erstaunt von seinem Bildschirm auf, als sich seine Bürotür öffnete. Er hatte alles um sich herum vergessen, während er mit zunehmender Anspannung an der Präsentation für die morgige Verwaltungsratssitzung arbeitete. Sein Chef stand in der Tür, die Stirn in Falten. „Es ist gleich neun Uhr.“ Die Worte kamen langsam und betont. Gerbrandt blickte irritiert auf das dunkle Fenster, dann auf die Zeitanzeige seines Bildschirms, die 20.48 Uhr anzeigte, und wieder zu seinem Chef. Herr Dr. Hinterhuber, Leiter Controlling, war ein Urgestein in dieser Firma. Mit ihm war nicht zu spaßen. „Ich schaff das schon…“ er gab seiner Stimme einen möglichst festen Klang. Doch das half nichts. In scharfem Ton flogen ihm Hinterhubers Fragen um die Ohren: „Wann haben Sie damit angefangen? Wo ist das Gliederungskonzept? Warum habe ich die Rohfassung nicht schon gestern bekommen? Wie viel Zeit haben Sie einkalkuliert, um die Zahlen aus der Buchhaltung zu überprüfen? Haben wir noch Pufferzeit, falls unser Vorstand wieder einmal persönliche Änderungsvorschläge einbringen sollte?!“ Gerbrandt suchte verzweifelt nach einem guten Gegenargument. „Ich schaff das schon, das habe ich letzten Monat ja auch geschafft. Vertrauen Sie mir.“ „Nein, Gerbrandt, so geht das nicht. Morgen nach der Sitzung werden wir uns mal über Ihre Zukunft hier unterhalten.“ Dr. Hinterhuber atmete tief durch, klemmte seine Aktentasche unter den Arm und verließ das Büro.
Wahrscheinlich bekommt Herr Gerbrandt seine Präsentation noch fertig, auch wenn es Mitternacht werden sollte. Aber genauso wahrscheinlich bekommt er ein unangenehmes Gespräch mit seinem Chef. Die (westliche) Arbeitskultur fordert einen bestimmten Umgang mit zeitlicher Organisation. Wer das nicht drauf hat, der hat es schwer.
Zeitmanagement hat etwas damit zu tun, wie Menschen Zeit erleben
Das Zeiterleben bestimmt, wie sie Zeit mit Tätigkeiten füllen, Zeit erinnern oder auch Zeit vorausplanen. Die klassischen Zeitmanagement-Methoden behandeln alle Menschen, als ob sie darin gleich wären. Doch das ist nicht der Fall.
Die – nennen wir sie mal: arbeitstechnisch talentierten – Menschen finden sich in den Techniken des klassischen Zeitmanagements gut zurecht. Sie lernen so etwas schnell und wenden es konsequent an. Sie brauchen oft gar kein Zeitmanagement-Seminar zu besuchen, weil sie von alleine wissen, wie man sich passend organisiert. Ja, sie wundern sich vielleicht, warum andere über solche Selbstverständlichkeiten noch Bücher schreiben!
Was ist mit Ihnen? Gehören Sie zu denen? Vielleicht nicht – und deshalb haben Sie sich dieses Buch gekauft. Die „anderen“, arbeitstechnisch nicht (oder anders) talentierten Menschen machen oft folgende Erfahrungen. Kennen Sie das auch?
Menschen, die zu dieser Gruppe gehören, werden sich vermutlich mit den klassischen Zeitmanagement-Methoden nur abquälen. Sie werden Anläufe machen, so zu werden, wie die Techniken es verlangen, aber sie werden dabei nicht glücklich sein. Jeder Vorwand wird genutzt, um die Techniken wieder wegzulassen, denn sie kosten Kraft, die besser für die Erledigung der Aufgaben eingesetzt wäre. Zeitmanagement ist bei ihnen kein Selbstläufer.
Solche Menschen sind nicht „unfähig“ – sie sind nur anders
Das heißt, dass sie auch etwas anderes brauchen, um ihre Arbeitsorganisation zu verbessern und für die übliche Arbeitskultur kompatibel zu machen. Dabei sollten sie nicht vergessen, ihre Stärken einzubringen.
Folgende Fähigkeiten sind oft kennzeichnend:
Herr Gerbrandt hatte die Präsentation fertig bekommen, kurz vor Mitternacht natürlich. Am nächsten Tag, während die Aufsichtsratssitzung lief, räumte er das Chaos auf seinem Schreibtisch auf. Plötzlich stand wieder sein Chef in seinem Büro, aber sein Blick wirkte fahrig. „Gerbrandt, die wollen.. also der Aufsichtsrat, der will plötzlich eine Prognose der Exportzahlen über fünf Jahre. Fünf Jahre! Wie sollen wir da so schnell irgendetwas Belastbares vorzeigen? Was machen wir nur!“ Gerbrandt hatte seinen Bürostuhl schon mit Schwung Richtung Bildschirm gedreht und schob sein Kinn nach vorne, während er blitzschnell durch die Unterverzeichnisse blätterte. „Wie detailliert muss es sein?“ Dr. Hinterhuber seufzte: „Keine Ahnung. Ich vermute, das ist nur so ein Schaukampf der Aufsichtsratsvorsitzenden.“ „Hier, gucken Sie mal“, Gerbrandt zeigte auf seinen Monitor, „da haben wir mal ein Szenario aufgebaut. Ich weiß nicht mehr, zu welchem Anlass. Da müsste man jetzt die Währungsentwicklung noch einbauen. Fünf Jahre ist auch okay. Das ergibt zwar keine feste Prognose, aber zwei, drei Trendszenarien unter definierten Bedingungen. Das können wir vertreten. Was meinen Sie?“ „Und wie lange brauchen Sie dafür?“ „Och, ein Stündchen so etwa, dann hab ich die Kernaussagen.“ „Gerbrand,.. ich… wie soll ich sagen: Sie sind ein Held!“ Dr. Hinterhuber wischte sich den Schweiß von der Stirn und verließ mit einer leichten Verbeugung das Büro, während Gerbrandt sich mit einem breiten Grinsen an die Arbeit machte …
Ein Held des Augenblicks