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Entwicklungsziele vereinbaren

Um Mitarbeitende zu fördern gibt es mehr Wege als fachliche Unterweisung, Seminare oder Beförderung. Unser Gesprächsformat der Entwicklungsziel-Vereinbarung setzt auf ein selbstverantwortliches und umfassendes Lernen und kann fachliche wie persönliche Entwicklung umfassen. Als Instrument einer weiten Führung verbindet die Entwicklungsziel-Vereinbarung die Führungsdimensionen Ziel-/Leistungsorientierung mit Mitarbeiterorientierung.


Wenn Einzelgespräche nicht reichen

Schon wieder hatte ein Kunde sich über Herrn Kurz beschwert. Herr Dennenröder, sein Chef, fragte sich, was ein erneutes Kritikgespräch bringen würde. Oft genug hatte er es versucht, nach allen Regeln der Kunst: „Herr Kurz, dieser Kunde hat sich an mich gewandt, weil er Ihre Erklärungen nicht verstanden hat und sich abgekanzelt gefühlt hat. Ich bin besorgt, weil wir gerade in der jetzigen Marktsituation zufriedene Kunden brauchen. Ich möchte mit Ihnen besprechen, was Sie tun können, um abschlägige Bescheide kundenorientierter zu erklären…“ Herr Kurz war immer einsichtig gewesen, hatte Besserung gelobt, aber leider hat es kaum was genützt.

Herr Dennenröder seufzte: „Der Kurz, der kann das einfach nicht“, dachte er. „Das ist ein Fachexperte vor dem Herrn, seine Bescheide haben nie Fehler und er kennt alle einschlägigen Urteile der letzten 10 Jahre. Doch die haut er einem Kunden um die Ohren, was dieser nicht versteht und dann verärgert ist. Da kann man nichts machen…“

Doch, man kann schon was machen. Aber ein weiteres Einzelgespräch reicht nicht aus. Wenn wir uns diesen Fall vorstellen, dann geht es nicht um Kleinigkeiten, die der Mitarbeiter mal schnell so machen kann. Sondern um große, neue Schritte, die er erstmal lernen muss! Das beinhaltet:

  • Lernbereitschaft
  • eine Einstellungsänderung
  • den schrittweisen Aufbau ganz neuen Verhaltens
  • Persönlichkeitsentwicklung
  • möglicherweise auch Umorganisation des Umfelds

All das braucht Zeit und Freiwilligkeit.

 

Wir haben dafür ein spezielles Führungsinstrument geschaffen: das Entwicklungsziel-Projekt.

Zielvereinbarung für die eigene Entwicklung

Das ist vergleichbar mit der Vereinbarung von Arbeitszielen auf der Fachebene: Am Anfang steht eine verbindliche Absprache mit der Führungskraft über ein Ziel, das der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin bis zu einem Termin eigenständig erreichen soll. Unterjährig gibt es Controlling-Gespräche, und die Führungskraft unterstützt, wenn es notwendig ist.

Für den Weg zum Ziel ist der Beschäftigte selbst zuständig. Der Vorgesetzte hält sich aus den Umsetzungsdetails heraus. Deshalb ist Zielvereinbarung ein Instrument der weiten Führung.

 

Aspekte von Zielvereinbarungen:

  • verbindliche Absprache
  • Konkretisierung, was am Ende erreicht sein soll
  • Umsetzungsverantwortung beim Mitarbeiter
  • Termin
  • Controlling und Unterstützung auf dem Weg

All dies ist auch für eine Entwicklungsziel-Vereinbarung relevant.

Fußstapfen: Lernwege gestalten
© Sabine Neugebauer

Einstieg mit dem Entwicklungsziel-Gespräch

Eine persönliche Entwicklung kann man nicht anordnen. Der Mitarbeiter als Zielverantwortlicher muss das schon wollen. Er braucht die Überzeugung, dass es für ihn machbar und auch lohnenswert ist. Das Entwicklungsziel-Gespräch (EZ-Gespräch) dient deshalb zunächst dazu, eine solche Überzeugung zu stärken oder auch erst einmal zu wecken. Danach wird der Entwicklungsprozess geplant.

Die Ablaufschritte im EZ-Gespräch:

  1. Den Entwicklungsbedarf benennen und begründen
  2. Überzeugungsarbeit: die Sichtweise des Mitarbeiters aufnehmen, Nutzenargumentation
  3. Konkretisierung des Ziels und Abschluss der Vereinbarung
  4. Den Lernweg planen (lassen)
  5. Ergebnissicherung und To-Dos

Den Entwicklungsbedarf benennen

Herr Dennenröder hatte mit Herrn Kurz im Vorfeld einen einstündigen Gesprächstermin vereinbart. Nun saß dieser in seinem Büro und guckte skeptisch. „Ein persönliches Entwicklungsprojekt wollen Sie mir vorschlagen? Da weiß ich ja gar nicht, was ich davon halten soll!“ Herr Dennenröder lachte und sagte offen: „Ja, ich weiß auch nicht, was herauskommt, das hängt ja von Ihnen ab. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn Sie es versuchen!“

Als Herr Kurz „Na gut“ grummelte, machte er weiter: „Als Entwicklungsziel möchte ich Ihnen kundenorientierte Gespräche vorschlagen. Für unsere Firma ist es wichtig, dass wir die Anträge fehlerfrei bearbeiten, aber auch, dass die Kunden dies wahrnehmen und verstehen. Das erste machen Sie hervorragend, beim zweiten ist noch Luft nach oben. Was meinen Sie dazu?“

Überzeugungsarbeit: wenn der Mitarbeiter zögert

Herr Kurz war nicht begeistert. „Finden Sie etwa, ich erkläre etwas falsch? Im Gegenteil, es liegt an den Kunden, die nicht richtig zuhören und überhaupt nichts verstehen wollen!“

„Sie meinen, Sie können nichts verbessern, und die Kunden müssten lernen, besser zuzuhören?“

 

„Nun ja, das hötte ich gerne! Aber das geht ja nicht. Warum muss ich mich denn ändern? Mir fehlen einfach die Worte, wenn die Kunden ständig gegenargumentieren.“

„Sie sehen auch, dass wir die Kunden leider nicht ändern können, aber Sie können sich nicht vorstellen, wie Sie denen die Sachlage anders erklären können?“

 

„Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht bemühe! Wir haben doch schon diverse Gespräche darüber geführt, und ich habe es stets eingesehen.“

Die Nutzenargumentation

„Sie möchten, dass ich um Ihr Bemühen weiß? Ja, das sehe ich absolut! Aber, wie Sie auch selbst sagen, es fällt Ihnen nicht leicht. Wenn Sie sich nun auf meine Idee eines Entwicklungs-Projekts einlassen, dann würden Sie Zeit und Frust sparen, wenn Sie mit den Kundengesprächen besser zurechtkämen. Die Kunden würden Ihre Bescheide als gerechtfertigt ansehen und Ihnen vielleicht für die Erklärung dankbar sein. Wie finden Sie eine solche Vorstellung?“

„Das fände ich super! Aber wie soll das gehen?“

Das Ziel konkretisieren

„Lassen Sie uns zunächst festlegen, was am Ende herauskommen soll, okay? Woran können wir beide erkennen, dass Sie kundenorientierte Kommunikation anschließend gut draufhaben?“

 

Herr Kurz lachte: „Dass ich nicht mehr in diese Gespräche mit Ihnen muss! Und dass sich keiner mehr beschwert. Und für mich natürlich, dass ich diese nervigen Gespräche nicht mehr habe.“

Bei der Entwicklungsziel-Vereinbarung steht das Ziel im Zentrum, nicht die Maßnahmen. Wozu ist das gut? Vereinbart man Maßnahmen, beispielsweise ein Seminar, dann ist der Mitarbeiter fertig, sobald er da gewesen ist – ob es etwas genützt hat oder nicht. Wenn dagegen ein Ziel abgesprochen wurde, dann muss der Weg flexibel angepasst werden, solange bis das Ziel erreicht wurde.

Für Entwicklungsziele gibt es oft keine „harten“ Kennzahlen aus dem betrieblichen Rechenwerk. Man kann aber genauso gut qualitative Zieldefinitionen wählen. Einige Beispiele für Herrn Kurz:

  • Anzahl der Kundenbeschwerden über Unverständlichkeit oder Unfreundlichkeit (gesunken)
  • Anzahl von unbefriedigenden Kundentelefonaten (Selbstaufschreibung, gesunken)
  • Stichprobenartige Selbstbewertung der Kundenorientierung in Gesprächen (Schulnotenskala)
  • Stichprobenartige Bewertung von aufgezeichneten Anrufen durch die Führungskraft
  • gemeinsame Analyse von z.B. 10 gelungenen kundenorientierten Gesprächen

Den Lernweg planen

„Welche Schritte können Sie tun, um diesem Ziel näher zu kommen?“ Herrn Kurz fiel zuerst nur das klassische Seminar ein. Im gemeinsamen Brain Storming fanden sie jedoch noch einige andere Ideen, z. B.

  • das Hospitieren bei kommunikationsbegabten Kollegen,
  • das eigene Erstellen von Musterargumentationen für typische Gesprächsanlässe,
  • das Proben solcher Gespräche mit Herrn Dennenröder sowie
  • Entspannungstechniken zum Umgang mit dem eigenen Ärger, wenn ein Kunde wieder mal so uneinsichtig reagiert.

Begleitung durch die Führungskraft

„Herr Kurz, ich bin sehr erleichtert, dass Sie nun dieses Entwicklungs-Projekt mit mir verabredet haben! Ich werde Sie dabei aber auch unterstützen. Was halten Sie davon, dass wir uns regelmäßig zu dem Projekt austauschen, sagen wir mal: monatlich?“

Solche Zwischengespräche sind notwendig, damit das Projekt nicht im Tagesgeschäft untergeht. Sie stellen die angemessene Priorität sicher. Außerdem ist da Platz, dem Mitarbeiter Anerkennung zu geben, dass er Neues gewagt und seine Komfortzone verlassen hat. Geht es mit der Entwicklung nicht schnell genug voran, kann die Führungskraft Hilfe und Unterstützung geben, entweder durch Ratschläge oder praktisches Vormachen und Üben. Auch die Korrektur von Fehlentwicklungen kann nötig sein. Die ersten Versuche sind noch nicht so treffsicher.

Entwicklungsziele auch bei nicht genutzten Potenzialen

Ein besonders gutes Anwendungsfeld von Entwicklungsziel-Projekten liegt darin, Mitarbeitende zum Ausbau von persönlichem Potenzial zu ermuntern.

  • Die Sachbearbeiterin, die gut über den Schreibtischrand hinausdenken kann, sich aber nicht in firmenweite Projekte traut
  • der innovativ denkende junge Kollege, der seine Ideen im Kreis von langjährigen Mitarbeitenden nicht vertritt
  • die Rückkehrerin aus der Elternzeit, die gut in eine Teamleitungsstelle hineinwachsen könnte, die in zwei Jahren vakant wird…

wenn man sie jeweils auffordert und gezielt begleitet.

Mitarbeitende fördern, das meint hier etwas Anderes als „Zulagen gewähren“, nämlich einem zu helfen, das Potenzial zu entwickeln, das in einem steckt.

Entwickeln, was in einem steckt!



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