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Kritikgespräche "zwischen Tür und Angel"

So ein Spontankritikgespräch – ist das überhaupt richtig? Als Chefin oder Chef will man ja kein kleinkarierter Erbsenzähler sein. Deshalb sollte man doch gut überlegen, ob ein kleiner Fehler eines Mitarbeiters so wichtig ist, dass man ihn anspricht. Die Motivation soll doch erhalten bleiben. Oder nicht?


Ein Fallbeispiel

Frau Novak sah auf die Uhr: Oh, schon so spät! Sie musste heute zeitig weg, weil sie einen Facharzttermin hatte. Sie räumte ihren Schreibtisch auf. Hm, da war noch die Sonderaufgabe von ihrem Chef, die wäre eigentlich heute fällig gewesen. Das würde sie morgen als erstes erledigen. Zum Glück war Herr Dennenröder sehr verträglich und nahm so kleine Verspätungen nicht übel. Damit das so blieb, schrieb sie ihm schnell noch eine Mail, in der sie sich freundlich entschuldigte.

Herr Dennenröder wartete auf die Zusammenstellung von Frau Novak. Er hatte schon morgens ein ungutes Gefühl, weil diese Mitarbeiterin es mit den Terminen nie so genau nahm. Aber sollte er anrufen und die Aufgabe anmahnen? So streng wollte er nicht sein. Nachmittags hatte er Meetings und als er danach seine Mails durchsah, fand er die Nachricht von Frau Novak. Das ging so nicht! Er brauchte die Zahlen heute, weil er sich ja vorbereiten wollte. Also griff er zum Hörer. Aber das Telefon war schon umgestellt. Der Kollege Herr Kurz, der dranging, war auch gerne bereit, noch eine Stunde zu bleiben und die Zahlen zusammenzustellen. Herr Dennenröder schrieb Frau Novak, die Sache hätte sich erledigt, aber sie möge doch bitte das nächste Mal den Termin einhalten.

Mitarbeitermotivation erhalten?

Die Motivation von Frau Novak ist geschont worden. Oder vielmehr ihre Arbeitszufriedenheit. Denn: Ist sie motiviert dazu, ihre Termine besser zu organisieren? Das glaube ich nicht. Dazu fehlen ihr entscheidende Wahrnehmungen:

  • Sie hat nicht mitbekommen, dass ihr Chef wegen ihrer Aufgabe nervös war.
  • Sie glaubt weiterhin, kleine Verspätungen wären nicht wichtig.
  • Sie erfährt vielleicht gar nicht, dass ihr Kollege wegen ihres Versäumnisses kurzfristig Überstunden machen musste.
  • Sie würde überrascht sein, wenn sie in einem Beurteilungsbogen bei Termintreue ein "Unterdurchschnittlich" angekreuzt bekäme.

Schnelle Korrektur ist besser

Wie kann sich eine Mitarbeiterin verbessern, wenn sie kein Problembewusstsein hat? Sie denkt, alles ist in Ordnung. Es ist ein Führungsfehler, wenn sie kein ehrliches Feedback erhält. Von Mitarbeitern wird erwartet, dass sie selbstverantwortlich handeln, also müssen sie auch die notwendigen Informationen bekommen, was wichtig ist. Und je eher das passiert, desto schneller können sie ihr Arbeitsverhalten korrigieren. Ein nicht zieldienliches Verhalten sollte sich nicht einschleifen.

Mal angenommen, Frau Novak bewirbt sich später mal für eine betrieblich geförderte Fortbildung. Herr Dennenröder wird gefragt, ob er das befürwortet. Er spricht sich dagegen aus, denn aus seiner Erfahrung ist die Mitarbeiterin unzuverlässig und ohne Engagement. Frau Novak fällt aus allen Wolken. Warum hat er ihr das nicht früher mal gesagt?

Angst der Führungskraft?

Nach meiner Erfahrung steckt hinter dem Wunsch, dem Mitarbeiter nicht durch eine schnelle Kritik zu nahe zu treten, oft eine Angst der Führungskraft vor Konflikten. Davon hat man ja meist mehr als genug! Doch wenn man Konflikte vermeidet, dann wird das zugrundeliegende Problem nicht gelöst. Im Gegenteil: die Psychologie weiß, dass Vermeidungsverhalten eine Angst nur vergrößert.

Ich empfehle Ihnen, eine solche – oft unterschwellige – Angst zu respektieren, aber frei zu entscheiden, wie viel Macht Sie ihr geben! Sie können trotz Bauchgrummeln vorsichtig mit kleinen Kritikgesprächen anfangen, bei freundlichen und sympathischen Mitarbeitern, wo es leichtfällt.


Und ich kann Sie unterstützen, indem ich Sie mit Handwerkzeug versorge. Sie brauchen die richtigen Gesprächstechniken und eine klare Planung, wie so ein Gespräch ablaufen soll.

Gesprächsablauf

Ein Spontankritikgespräch wird sofort oder baldmöglichst erledigt, wenn etwas negativ auffällt. Spontan, ohne Verabredung. Am Arbeitsplatz des Mitarbeiters oder im Büro der Führungskraft oder auch zwischen Tür und Angel. Es ist allerdings darauf zu achten, dass es keine Mithörer gibt. Kritisches Feedback ist eine heikle Angelegenheit und sollte unter vier Augen und Ohren stattfinden.

 

Die Gesprächsstruktur besteht aus drei Schritten

  1. Sachverhalt ansprechen und Kritik begründen: Was war falsch? Wie sollte es sein? Weshalb spreche ich es an?

  2. Sichtweise des Mitarbeiters, der Mitarbeiterin verstehen: Aktives Zuhören

  3. Abschluss mit Wunsch oder Vereinbarung für die Zukunft
(c) Wallusy, Pixabay-Lizenz 2020
(c) Wallusy, Pixabay-Lizenz 2020

Die Anteile der Führungskraft sollten kurz und prägnant sein. Der Mitarbeiter will sich ja rechtfertigen und hört nicht lange zu. Was auch immer dann erwidert wird: versuchen Sie es neutral zu verstehen, ohne dagegen zu argumentieren. Sie sind der Chef, d.h. Sie bringen zum Schluss ihren Wunsch ein. Mit dieser Sicherheit können Sie sich vorher in aller Ruhe die Perspektive des Gesprächspartners anhören.

Ein Spontankritikgespräch schließt damit, dass die Führungskraft schildert, was Sie in Zukunft erwartet. Das wird nicht weiter diskutiert. Falls das doch nötig sein sollte, empfehle ich, sich zu einem „großen“ Kritikgespräch zu verabreden und das auch vorzubereiten. Meist aber hat der Mitarbeiter schon verstanden, was er ändern soll, und ist dazu auch in der Lage.

Wie hätte es im Fallbeispiel laufen können? Herr Dennenröder sucht am nächsten Morgen sofort das Gespräch.

  • FK: „Frau Novak, ich bin unzufrieden, dass Sie die Zusammenstellung gestern nicht erledigt haben. Ich brauchte die Zahlen für meine Vorbereitung schon abends. Als ich Ihre Mail las, war ich ärgerlich. Auf die Schnelle habe ich die Aufgabe an Herrn Kurz delegiert. Damit bin ich aber auch unglücklich, denn eine gerechte Aufgabenverteilung im Team ist mir wichtig.“

  • MA: „Oh, das tut mir leid! Das konnte ich ja nicht wissen, dass es so eilig war.“
  • FK: „Verstehe ich Sie richtig, dass Ihnen die Dringlichkeit nicht klar war?“
  • MA: „Genau, das hätten Sie mir doch sagen müssen. Ich habe mit dem Tagesgeschäft genug zu tun, diese Sonderaufgaben vergesse ich dann zu leicht. Aber ich wollte Ihnen auf keinen Fall Stress bereiten.“
  • FK: „Also, bei Ihnen geraten solche Zusatzaufgaben im Eifer des Gefechts leicht in Vergessenheit, aber nicht absichtlich? Besonders, wenn ich die Priorität nicht deutlich gemacht habe?“
  • MA: „Ja, und ich habe wirklich viel zu tun gehabt gestern! Sie können mir da nichts vorwerfen!“
  • FK: „Ihnen ist es wichtig, dass ich weiß, wie viel Sie arbeiten?“
  • MA: „Ja. Ich wollte niemand in Stress bringen.“
  • FK: „Ich wünsche mir, dass Sie sich für die Zukunft überlegen, wie Sie solche Sonderaufgaben besser einplanen können, damit Sie sie nicht vergessen.“
  • MA: „Ja, das nächste Mal mache ich das schneller.“
  • FK: „Nein, ich möchte, dass Sie etwas an Ihrer Arbeitsorganisation verändern, damit wir beide sicher sein können, dass es funktioniert. Bis wann können Sie sich dazu etwas überlegen?“
  • MA: „Na gut, wenn Sie das so wollen… bis Montag?“
  • FK: „Ja, ist notiert. Rufen Sie mich an? Dankeschön!“
  • MA: „Gut. Bis dann!“

Verbesserung anerkennen

Die Mitarbeiter sind nicht immer begeistert, wenn eine Veränderung verlangt wird. Deshalb ist es wichtig, dass sich diese Mühe lohnt. Das passiert dadurch, dass Verbesserungen des Arbeitsverhaltens auch bessere Ergebnisse und weniger Fehler bringen sollten. Aber es kann und sollte noch dadurch verstärkt werden, dass die Führungskraft die Verbesserung wahrnimmt und anerkennt.

  • FK: „Guten Tag, Frau Novak, sie hatten mir ja gestern noch die Fehlerliste fertig gemacht…“
  • MA: „Ja, ist denn was nicht in Ordnung?“
  • FK: „Alles okay. Ich habe mich gefreut, dass ich die Liste sogar vor dem Termin bekam, so kann ich meine Arbeit gut einteilen. Herzlichen Dank!“
  • MA: „Gerne!“


Spontankritik als Win-Win

Ich nenne so eine Kurzkritik auch gerne Korrekturgespräch. Das ist nämlich der Sinn: eine schnelle Korrektur!

Wenn die Führungskraft schnell Feedback gibt, bevor etwas länger in die falsche Richtung gelaufen ist, dann werden Nachteile für das Unternehmen so kurz wie möglich gehalten. Die Mitarbeitenden nehmen eine Abweichung dann bewusst wahr, und sie nehmen sie auch wichtig. Die Umstände werden geklärt: manchmal hat der Mitarbeiter auch alles richtig gemacht, aber durch äußere Einflüsse gab es Probleme. Missverständnisse wie auch Defizite können früh erkannt werden.

Am wichtigsten finde ich persönlich, dass man „fehlgeleitete“ Mühe spart. Nichts ist frustrierender, als wenn man etwas in gutem Glauben und mit Engagement erledigt, und hinterher erfährt man, dass es anders gewollt war.


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